«Grossmütter» von Melara Mvogdobo

Inhalt
«Grossmütter» handelt von zwei Frauen und ihren Lebensgeschichten. Eine stammt aus einer armen Bauernfamilie in der Schweiz, die andere aus einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Auch wenn sie ganz unterschiedliche Leben führen, habe ihre Lebenserfahrungen doch viele Parallelen. Sie haben als Kinder Träume und Wünsche, wachsen zu jungen Frauen heran, heiraten, bekommen Kinder und werden in ihren Ehen gedemütigt und erniedrigt. Beide erfahren eine unglaubliche Ungerechtigkeit, die in ihnen eine Wut heranwachsen lässt, die ihnen die Kraft gibt, sich irgendwann zu befreien.

Kritik
Die Kapitel sind kurzweilig und prägnant und durch die unterschiedliche Schriftfarbe weiss man immer, um welche der beiden Frauen es sich gerade handelt. Die unterschiedliche Sprachverwendung der beiden Frauen macht die Geschichten sehr greifbar. Melara Mvogdobo benötigt keinen 500-seitigen Roman, um eine Geschichte zu erzählen. Sie erzählt in kurzen Episoden die tragischen Schicksale zweier Frauen aus unterschiedlicher Herkunft und Kulturkreisen, die aber doch so viele Parallelen haben, nämlich ihr Leben als stumme Dienerinnen ihrer Männer und Gebärmaschinen zu verbringen ohne eigene Wünsche und Bedürfnisse.

Fazit
Der Roman hat mich sehr berührt und wahnsinnig wütend gemacht, weil Frauen so viel strukturelle Ungerechtigkeit erfahren müssen und die Geschichten so realitätsnah sind und genau so auf der Welt passieren in diesem Moment. Er hat mir gezeigt, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich heute meinen Lebensunterhalt selbst verdiene und frei über mein Leben bestimmen kann.

Sternbewertung

Bewertung: 5 von 5.

«Pick Me Girls» von Sophie Passmann

Inhalt
Sophie Passmann schildert in ihrem Buch das gesellschaftliche Phänomen der Pick Me Girls, also Frauen, die anders sind als andere Frauen. Da „normale“ Frauen oft zu oberflächlich, zu hysterisch, zu laut, zu kompliziert und einfach zu anstrengend sind, heben sich Pick Me Girls bewusst von diesen als typisch weiblich charakterisierten Verhaltensmerkmalen ab. Diese Frauen sind also bspw. eher mit Männern befreundet, interessieren sich mehr für Sport als für Make Up, trinken Bier und essen gern Fast Food. Sie verhalten sich im Grunde einfach mehr wie Männer, um schlussendlich beim männlichen Publikum besser anzukommen, indem sie Weiblichkeit grundsätzlich abwerten und sich davon distanzieren. Passmann erzählt von ihrer eigenen Jugend, ihrer Essstörung, wie ihr unsicheres Selbstbild durch die Gesellschaft geprägt wurde und wie sie selbst zum Pick Me Girl wurde.

Heute beklemmt mich das Konzept, dass es wirklich Männer gibt, die es schätzen, wenn Frauen unkompliziert sind. Es ist ein Wunsch, den ich noch nie aus dem Mund einer Frau über einen potenziellen männlichen Partner gehört habe. Es geht dabei um die Idee, dass der Mensch, mit dem man grosse Teile seines Lebens verbringen möchte, möglichst wenig Widerspruch geben soll, möglichst wenig Arbeit machen soll und alles in allem möglichst mühelos und ohne Abstriche in das eigene Leben integrierbar ist. Ich habe unendliche Male versucht, unkompliziert zu sein, und das Einzige, was das für mich am Ende bedeutet hat, war, meinen Bedürfnissen wenig Raum zu geben.

Pick Me Girls, S. 187

Kritik
„Ist man nicht selbst ein Pick Me Girl, wenn man andere Pick Me Girls nennt?“, fragte mich meine beste Freundin als sie das Buch auf meinem Couchtisch sah als sie zu Besuch war. „Doch und genau deshalb hat sie es ja geschrieben“, antwortete ich ihr. Passmann outet sich als Pick Me Girl, schreibt über ihren Körper, ihre Jugend, ihr Selbstbild auf eine sehr authentische und ehrliche Art und Weise. Das Buch thematisiert Feminismus und den männlichen Blick und das, was Frauen tun, um Männern zu gefallen. Das Buch gliedert sich in die Einleitung, die alternative Einleitung für Männer und anschliessend folgen die Kapitel, die nicht weiter benannt sind, was ich etwas schade finde, da man mit benannten Kapiteln eine schnellere Übersicht über das Buch gewinnen könnte.

Ich schreibe dieses Buch jetzt, weil ich glaube, dass ich jungen Frauen mit ein paar Dingen in diesem Buch das Leben leichter machen kann. Das hier ist kein Teenager-Selbsthilfebuch. Es ist auch kein feministisches Kampfwerk und erst recht, um Gottes willen, keine Autobiografie. Das ist das Buch, das ich mit 14 Jahren gebraucht hätte.

Pick Me Girls, S. 15

Fazit
Das Buch ist eigentlich nicht besonders dick und dennoch brauchte ich mehr Zeit, es zu lesen als für andere Bücher. Es wühlt auf, irritiert, regt zum Nachdenken an. Es hallt nach und macht wütend. Ich habe das Buch gleichzeitig gelesen und gehört, da es kostenlos verfügbar ist auf Spotify. Ich finde diese Art, ein Buch zu „konsumieren“ sehr angenehm, da man so noch tiefer eintauchen kann, wenn man es mit verschiedenen Sinnen liest. Sophie Passmann ist sehr wortgewandt und schildert ihre Beobachtungen mit einem unglaublichen Scharfsinn. Und sie beschreibt einmal mehr ein gesellschaftliches Phänomen, dass Frauen dafür verurteilt werden, Frauen zu sein mit all ihren Vorlieben und Eigenheiten und sich deswegen Mittel und Wege suchen, um sich besser einzufügen, indem sie bspw. zu Pick Me Girls werden. Dabei ist absolut nichts falsch zu sein, genauso zu sein wie alle anderen Frauen.

Sternbewertung

Bewertung: 4 von 5.

«Dramaqueen» von Tara-Louise Wittwer

Inhalt
In ihrem Buch „Dramaqueen – Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung“ untersucht Tara-Louise Wittwer, Kulturwissenschaftlerin und Influencerin, die Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft und wie „internalisierte Misogynie“ oder auch „verinnerlichter Frauenhass“ omnipräsent sind in unserer Gesellschaft. Misogynie wird uns wie Rassismus oder Vorurteile anerzogen und über Generationen weitergegeben. Sie äussert sich oft auf subtile Art und Weise und spiegelt sich in unseren Denkweisen und Denkmustern, die wir so sehr verinnerlicht haben, dass wir sie gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, die aber trotzdem unser Denken und Handeln bestimmen. Frauen gelten oft als zu laut, zu emotional, zu schrill, zu kompliziert, zu crazy und haben immer etwas zu meckern. Kurz: Frauen sind anstrengend und zu viel Drama. Wie ist dieser Glaubenssatz eigentlich entstanden? Durch unsere patriarchalen Strukturen. Wir leben seit Jahrtausenden in einer Welt, die für Männer ausgelegt wurde und in der Frauen generell weniger Wert sind. Dadurch hat sich Misogynie in unseren Köpfen verfestigt.

Wittwer selbst lebte jahrelang nach misogynen Verhaltensmustern. Sie wuchs mit dem Glaubenssatz auf, dass Frauen immer zu viel Drama sind und konnte sich nie mit Mädchengruppen anfreunden, weil sie das alles zu peinlich fand. Sie wollte anders sein als all die „typischen“ Mädchen. Sie wollte bloss nicht zu girly sein, denn dann würde sie sowieso niemand ernst nehmen. Sie wollte lieber genau das Gegenteil tun, gedeckte Farben tragen, cool und mysteriös sein, Bier trinken und Zeit mit Jungs verbringen. Ein sogenanntes „Pick-Me Girl“ sein, also eine Frau, die davon überzeugt ist, anders als andere Frauen zu sein und genau deswegen heraussticht. Ganz im Gegensatz zur sogenannten „Basic Bitch“, die Frauen beschreibt, die Freude an populären Dingen haben, die üblicherweise „Frauen gefallen“, wie Maniküre, Make Up, Nagellack, Shopping, die Vorliebe für Pink, Rosa, Blümchenmuster und Männer.

Misogynie beginnt schon bei der Verurteilung von typisch weiblichen Hobbies und Vorlieben. Wenn Männer sich mit Autos und Sportarten wie Fussball, Tennis, Basketball etc. beschäftigen, sind das gesellschaftlich normale und völlig akzeptierte Hobbies. „Typisch männlich“ eben. Weibliche Hobbies und Vorlieben sind nicht nur „typisch weiblich“, sondern auch oft ein wenig dümmlich und unoriginell und werden schnell als negativ behafteter „Weiberkram“ abgestempelt. Misogynie zeigt sich in Aussagen wie „nicht wie ein Mädchen weinen“, sondern besser so „stark sein wie die Jungs“.

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