«Grossmütter» von Melara Mvogdobo

Inhalt
«Grossmütter» handelt von zwei Frauen und ihren Lebensgeschichten. Eine stammt aus einer armen Bauernfamilie in der Schweiz, die andere aus einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Auch wenn sie ganz unterschiedliche Leben führen, habe ihre Lebenserfahrungen doch viele Parallelen. Sie haben als Kinder Träume und Wünsche, wachsen zu jungen Frauen heran, heiraten, bekommen Kinder und werden in ihren Ehen gedemütigt und erniedrigt. Beide erfahren eine unglaubliche Ungerechtigkeit, die in ihnen eine Wut heranwachsen lässt, die ihnen die Kraft gibt, sich irgendwann zu befreien.

Kritik
Die Kapitel sind kurzweilig und prägnant und durch die unterschiedliche Schriftfarbe weiss man immer, um welche der beiden Frauen es sich gerade handelt. Die unterschiedliche Sprachverwendung der beiden Frauen macht die Geschichten sehr greifbar. Melara Mvogdobo benötigt keinen 500-seitigen Roman, um eine Geschichte zu erzählen. Sie erzählt in kurzen Episoden die tragischen Schicksale zweier Frauen aus unterschiedlicher Herkunft und Kulturkreisen, die aber doch so viele Parallelen haben, nämlich ihr Leben als stumme Dienerinnen ihrer Männer und Gebärmaschinen zu verbringen ohne eigene Wünsche und Bedürfnisse.

Fazit
Der Roman hat mich sehr berührt und wahnsinnig wütend gemacht, weil Frauen so viel strukturelle Ungerechtigkeit erfahren müssen und die Geschichten so realitätsnah sind und genau so auf der Welt passieren in diesem Moment. Er hat mir gezeigt, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich heute meinen Lebensunterhalt selbst verdiene und frei über mein Leben bestimmen kann.

Sternbewertung

Bewertung: 5 von 5.

«Nach dem Sommerregen» von Kristina Pfister

Inhalt
„Nach dem Sommerregen“ erzählt die Geschichte von Familie Ritter, bestehend aus den Eltern Walter und Marianne und den drei erwachsenen Kindern Cecilia, Jonas und Marika und deren jeweiligen Partner/innen und Kindern. Die Familie trifft sich jeweils an Geburts- und Feiertagen in ihrem Ferienhaus, liebevoll „Ritterburg“ genannt bis Marianne sich eines Tages entschliesst, dass sie ihr restliches Leben nicht nur immer für ihren Mann und die Kinder da sein will, sondern auch endlich mal für sich selbst. Als sie kurzerhand beschliessen, das Ferienhaus zu verkaufen, gerät die Welt der Ritters gehörig aus den Fugen. Zwischen Loslassen und Festhalten und im Versuch, sich als Familie wieder neu zu finden, stellen sich Cecilia, Jonas und Marika der Frage, wer sie eigentlich ohne ihr geliebtes Ferienhaus sind.

Kritik
Kristina Pfister deckt viele Themen ab, die den gesellschaflichen Puls der Zeit treffen wie Selbstfindung, Familiendynamiken und -konflikte, unerfüllte und zurückbehaltene Bedürfnisse und Gefühle, Veränderungen, Beziehungen und Ungleichgewicht in der Care-Arbeit. Jedes einzelne Familienmitglied ist sehr gut geformt und macht im Laufe der Geschichte eine beeindruckende Wandlung durch, die man als Leserin mitverfolgen kann. Die vielen Dialog-Einblendungen zu Beginn der Kapitel lassen einen jeweils etwas ratlos zurück, weil nicht klar ist, ob es Anrufbeantworter-, Chatnachrichten oder Echtzeitdialoge sind und wirken für die Geschichte jeweils ein wenig verwirrend, weil sie den Lesefluss unterbrechen.

Fazit
Ein liebevoll erzählter, tiefgründiger und realitätsnaher Familienroman, der zum Nachdenken anregt. Von der Handlung her war er aber eher unspektakulär und mir hat die Spannung in der Geschichte gefehlt.

Sternbewertung

Bewertung: 2.5 von 5.

«Dramaqueen» von Tara-Louise Wittwer

Inhalt
In ihrem Buch „Dramaqueen – Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung“ untersucht Tara-Louise Wittwer, Kulturwissenschaftlerin und Influencerin, die Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft und wie „internalisierte Misogynie“ oder auch „verinnerlichter Frauenhass“ omnipräsent sind in unserer Gesellschaft. Misogynie wird uns wie Rassismus oder Vorurteile anerzogen und über Generationen weitergegeben. Sie äussert sich oft auf subtile Art und Weise und spiegelt sich in unseren Denkweisen und Denkmustern, die wir so sehr verinnerlicht haben, dass wir sie gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, die aber trotzdem unser Denken und Handeln bestimmen. Frauen gelten oft als zu laut, zu emotional, zu schrill, zu kompliziert, zu crazy und haben immer etwas zu meckern. Kurz: Frauen sind anstrengend und zu viel Drama. Wie ist dieser Glaubenssatz eigentlich entstanden? Durch unsere patriarchalen Strukturen. Wir leben seit Jahrtausenden in einer Welt, die für Männer ausgelegt wurde und in der Frauen generell weniger Wert sind. Dadurch hat sich Misogynie in unseren Köpfen verfestigt.

Wittwer selbst lebte jahrelang nach misogynen Verhaltensmustern. Sie wuchs mit dem Glaubenssatz auf, dass Frauen immer zu viel Drama sind und konnte sich nie mit Mädchengruppen anfreunden, weil sie das alles zu peinlich fand. Sie wollte anders sein als all die „typischen“ Mädchen. Sie wollte bloss nicht zu girly sein, denn dann würde sie sowieso niemand ernst nehmen. Sie wollte lieber genau das Gegenteil tun, gedeckte Farben tragen, cool und mysteriös sein, Bier trinken und Zeit mit Jungs verbringen. Ein sogenanntes „Pick-Me Girl“ sein, also eine Frau, die davon überzeugt ist, anders als andere Frauen zu sein und genau deswegen heraussticht. Ganz im Gegensatz zur sogenannten „Basic Bitch“, die Frauen beschreibt, die Freude an populären Dingen haben, die üblicherweise „Frauen gefallen“, wie Maniküre, Make Up, Nagellack, Shopping, die Vorliebe für Pink, Rosa, Blümchenmuster und Männer.

Misogynie beginnt schon bei der Verurteilung von typisch weiblichen Hobbies und Vorlieben. Wenn Männer sich mit Autos und Sportarten wie Fussball, Tennis, Basketball etc. beschäftigen, sind das gesellschaftlich normale und völlig akzeptierte Hobbies. „Typisch männlich“ eben. Weibliche Hobbies und Vorlieben sind nicht nur „typisch weiblich“, sondern auch oft ein wenig dümmlich und unoriginell und werden schnell als negativ behafteter „Weiberkram“ abgestempelt. Misogynie zeigt sich in Aussagen wie „nicht wie ein Mädchen weinen“, sondern besser so „stark sein wie die Jungs“.

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